Herzrasen, zitternde Hände, flache Atmung, Druck im Bauch - und das Gefühl, am liebsten wegrennen zu wollen. Eigentlich machen wir Musik, um Freude daran zu erleben und diese zu teilen. Wieso gelingt es uns jedoch manchmal nicht, diese Freude zu fühlen?
Da ich selbst von Bühnenangst betroffen war und bis hin zu einer großen Todesangst vor gewissen Auftritten verspürte, war mein Leidensdruck sehr groß und ich versuchte über viele Jahre, die Ängste zu überwinden. Auf diesem Weg habe ich alles Mögliche ausprobiert.
Das Meiste hat hat so gut wie nicht oder wenig geholfen. Ich möchte hier die Gründe aufzeigen, warum etwas nicht hilfreich ist, was dabei fehlt und natürlich auch was es aus meiner Erfahrung braucht, um dieses (und so gut wie jedes Thema) zu heilen.
Die meisten Therapien und Ansätze greifen aus meiner Sicht nicht, da sie den Körper und die Funktionsweisen des vegetativen Nervensystems und die Neurophysiologie nicht berücksichtigen, und weil sie nicht unterscheiden zwischen Erwachsenem Erleben (Präsenz) und Kindlichem Erleben (Regression).
Wir sind aber nunmal biologische Wesen und es geht prinzipiell alles vom Körper aus. Das primäre Bedürfnis des Körpers ist Sicherheit.
Wenn wir nicht am Körper ansetzen, dann können wir nicht dort die Veränderung herbeiführen, wo sie nötig ist, nämlich da, wo das Problem entstanden ist.
Alles, was wir als Erwachsene als Leiden erleben stammt immer aus den ersten maximal drei Lebensjahren. Das heißt jemand, wer chronisch Stress hat - das ist nicht der Stress von heute, sondern das ist immer was im Beziehungskontext aus der Kindheit in das Nervensystem zementiert wurde.
Was es braucht
Es braucht ein körperorientiertes Verfahren oder eine Methode für die Nervensystemregulierung, sodass überschüssige Energie entladen wird und der Körper sich wieder beruhigen kann. Außerdem müssen die unbewussten inneren Konflikte, die sich aus den Bindungsverletzungen der Kindheit entwickelt haben angeschaut und aktualisiert werden.
Wenn das nicht passiert, hören wir Sätze wie: finde Dich einfach damit ab. Oder: stell Dich einfach Deiner Angst, und geh auf die Bühne, obwohl Du Angst hast.
An diesen Aussagen ist immer etwas Wahres dran. Aber dies geht nur, wenn die Ressourcen dafür da sind. Manchmal muss man erst die Ressourcen schaffen, dass jemand etwas mit oder trotz Angst machen kann.
Menschen verarbeiten Erfahrungen unterschiedlich – einige entwickeln Symptome, andere scheinbar(!) nicht. Hier ist unter anderem entscheidend, wie viel Stabilität, Urvertrauen, Resilienz und Ressourcen wir im bisherigen Leben aufbauen konnten und wie gut unsere Fähigkeit zur Selbstregulation ist.
Diese Faktoren sind übrigens trainierbar.

Wenn Mentaltraining nicht hilft
Zu mir kommen immer wieder Musiker, bei denen Mentaltraining alleine nicht funktioniert hat. Hier kommt die Erklärung:
Wenn wir leiden, versuchen wir mit dem Verstand eine Lösung zu finden, das ist ganz natürlich. Dieser ist aber gedacht dafür, auf der physischen Ebene Lösungen für reale Probleme zu finden. Beispiel: wenn ich Mehl brauche um Brot zu backen, kann ich mir überlegen, wie ich eine Mühle bauen kann um Mehl zu produzieren.
Der Verstand findet jedoch den Weg nicht raus, wenn wir aufgrund von Erlebnissen in der Kindheit in unbewussten destruktiven Beziehungsmustern festhängen.
Vor allem auch, weil es das Problem in Wirklichkeit gar nicht mehr gibt, sondern wir es immer wieder neu reinszenieren. Dafür kann der Verstand keine Lösung finden.
Mit diesem Programm hängt oft zusammen: Wille, Tun, Machen, Anstrengung, Strategien etc. Das ist zwar natürlich, aber es führt nirgendswo hin.
Es gibt uns Hoffnung auf eine zukünftige Lösung, aber es ändert sich nichts.
Falls das gehen würde, würden wir es einfach machen. Wir würden unsere Ängste einfach überwinden.
Dies kann man nicht von außen einfach so 'bearbeiten'. Denn das sind Verschaltungen tief im Hirn, da reicht es nicht aus Mentaltraining zu machen.
Wenn ich das System von außen entspanne, z.B. mit einer Massage, dann ist währenddessen oder kurz danach der Stress weg. Meist hält das aber nicht an. Wieso kommt dieser eigentlich wieder?
Er kommt wieder, weil auf Ebene des Hirnstamms nicht angekommen ist, dass die Gefahr vorüber ist. Das kann nicht ankommen, wenn es von außen einwirkt.
Ursache von Bühnenangst
So, wie wir hier aufwachsen können wir sagen, dass so gut wie jeder von Bindungstrauma betroffen ist. Wir wissen nicht, wie wir wirklich in Kontakt kommen und uns dabei wohlfühlen und entspannen können.
Wenn wir es mit Auftritts- und Bühnenangst zu tun haben, die uns blockiert, gibt es frühe Verletzungen von Bindungstrauma oder Schocktrauma.
Man erlebt dann vielleicht immer wieder, dass man zwar weiß, dass man keine Angst zu haben braucht, das aber überhaupt keine Wirkung hat.
Weil hier die tieferen Ebenen im Gehirn die Kontrolle übernehmen. Das ist evolutionär wieder sehr sinnvoll geregelt, weil das Überleben immer Vorrang hat. Aber das Problem ist, dass wenn diese Übererregung und Immobilisierung zu einer Konditionierung wird, dann überall Probleme entstehen, die sich dann als Symptome äußern.
Warum Psychotherapie oft nicht funktioniert
In der Psychotherapie (z.B. Gesprächs-, Gestalt- oder Verhaltenstherapie) werden oft die nicht erlösten Kindanteile direkt versorgt, was die Situation oft viel schlimmer macht, weil ich dem System dann implizit sage, dass die Projektion stimmt. Stattdessen muss der Erwachsene angesprochen werden und dieser lernt dann, die Kindheitsanteile zu kommunizieren.
Die klassischen Therapieformen funktionieren deshalb nicht so gut, weil die Ursache nicht adressiert wird. Die Ursache ist fehlende Bindung und Ladung im autonomen Nervensystem.
Die klassischen Therapieformen reichen maximal bis zum limbischen System, der Bereich im Gehirn, wo es um Gefühle und soziale Interaktion geht, aber nicht die Körper-Überlebensebene des Hirnstamms, wo die ganze Traumaladung gebunden ist. Denn bei Bühnen- und Auftrittsangst geht es um Überlebenszustände des Körpers.
Durch Bindungs- und Entwicklungstrauma wird eine reale Not im Körper erzeugt, welche wir nicht einfach ignorieren können.
Zweitens: es braucht eine echte Verbindung zwischen Klient und Therapeut/Coach. Dies ist nur möglich, wenn der Therapeut oder Coach den Wahnsinn selbst durchlebt hat, das Ego selbst sozusagen gestorben ist und sich in einer Beziehung völlig fallen lassen kann und keine Angst vor den eigenen bzw den Zuständen des Klienten hat.
Nur dann ist echte Bindung und auch Heilung möglich.
Denn: der fehlende vollständige Kontakt führt zu Stress im Körper, dieser führt zu Symptomen, die wir dann kompensieren und versuchen auszugleichen, aber wir sehen das eigentliche Problem nicht.
Dabei muss dann der Coach oder Therapeut helfen.
Ich bin selbst durch die Hölle durchgegangen und weiß inzwischen, was da rausführt.
Wenn wir Zugang zur Freude und unseren freien Ausdruck finden möchten, braucht es Sicherheit im Nervensystem. Diese Sicherheit zu etablieren geht über verschiedene Wege.
Weitere wesentliche Schritte dorthin findest Du in meiner Masterclass:
"Beherzt ist nicht, wer keine Angst kennt, beherzt ist,
wer die Angst kennt und sie überwindet"
- Khalil Gibran